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Sprossenwand - Magazin im DTB

Deutsches Turnen, Ausgabe Mai 2010

26.04.2011 13:30

Stellungnahme des DTB Präsidenten Rainer Brechtken

Zum Umgang mit Kindern im Turn- und Sportverein

Derzeit beherrschendes Thema der öffentlichen Diskussion und medialen Erforschung ist der jetzt in größerem Umfang bekannt gewordene sexuelle Missbrauch von Kindern in Bildungseinrichtungen und sozialen Einrichtungen der Kirche. In diesem Kontext geraten natürlich auch schnell die Turn- und Sportvereine in den Fokus der Berichterstattung.

Dies ist nicht grundsätzlich zu beklagen und mit Medienschelte zu belegen. Nein, man muss konstatieren, dass es sexuellen Missbrauch an Kindern auch in Turn- und Sportvereinen bzw. in Sportverbänden gibt. Die Betreuungs- und Trainingssituation von Kindern im Sport ist nun einmal verbunden mit hoher Körperlichkeit und Emotionalität. Dies kann für potenzielle Täter ein besonderes Terrain der Unauffälligkeit darstellen. Umso mehr sind wir als Führungskräfte in den Verbänden und Vereinen hier gefordert, uns diesem unangenehmen Thema zu stellen und präventiv zu wirken.

Vor allem wir Turner, im Verband und in den Vereinen, die wir über 1,5 Millionen Kinder im Kinderturnen betreuen, haben hier eine besondere Verantwortung. Wegsehen oder das Thema verdrängen, zählt nicht. Wir müssen die Thematik äußerst ernst nehmen, gleichzeitig aber auch niemanden unter Generalverdacht stellen. Das ist unsere Aufgabe in der Verantwortung gegenüber den uns im Verein und Verband anvertrauten Kindern.

Im DTB haben wir bereits 1997 einen „Ehrenkodex im Spitzensport“ beschlossen, der sich an Trainerinnen und Trainer, Athletinnen und Athleten, Erziehungsberechtigte, Funktionäre, Mediziner, Kampfrichterinnen und Kampfrichter wendet und für alle die Verpflichtung auf Prinzipien eines humanen Leistungssports formuliert. Dieser Ehrenkodex war uns bisher in mancher Diskussion behilflich und auch eine Orientierung für das Betreuungspersonal im Wettkampf- und Leistungssport, weil dieser Ehrenkodex Maximen und Richtlinien im richtigen Umgang mit Kindern und Jugendlichen enthält. Wir werden den Aspekt der sexuellen Gewalt gegen Kinder jetzt ergänzend in den Ehrenkodex aufnehmen.

In unseren Bemühungen geht es vor allem darum, unsere Trainerinnen und Trainer sowie Übungsleiterinnen und Übungsleiter handlungssicher zu machen im richtigen Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Ihnen Anleitungen zu geben, wie sie sich korrekt verhalten bei Hilfestellungen, in Umkleideräumen und Duschräumen etc., und dass sie falsches Verhalten anderer Trainerinnen, Trainer, Übungsleiterinnen und Übungsleiter sofort ansprechen. Deshalb haben wir vor, in all unseren Ausbildungen noch stärker als bisher auf die speziellen Anforderungen für den Umgang mit Kindern hinzuweisen und die Thematik der sexuellen Gewalt mit Kindern im Verein einzubeziehen.

Damit wir auch die zahlreichen nichtlizenzierten Betreuungspersonen erreichen, die sich in unseren Vereinen im Kinderturnen engagieren, werden wir im Turner-Bund unsere Qualifizierungsoffensive im Kinderturnen fortsetzen und besondere Informationsmodule für diese Zielgruppe anbieten. Im Rahmen unseres Selbstverständnisses als Dienstleister für unsere Turnvereine und Turnabteilungen stehen wir darüber hinaus in der Pflicht, den Verantwortlichen auf Vereinsebene Handlungsempfehlungen für den Umgang mit diesem Thema in den Vereinen zu vermitteln. Der grobe Rahmen dazu ist eigentlich recht einfach: Sobald es Hinweise oder Verdachtsmomente für Gewalt gegen Kinder oder sexuellen Missbrauch von Kindern im Verein gibt, sind diese Beschuldigungen zu dokumentieren und professionelle Hilfe bei z.B. Jugendämtern, Kinderschutz-Bund, Rechtsanwälten, o.ä. Enrichtungen zu holen. Es bringt nichts, vereinsintern Nachforschungen anzustellen und möglichst versuchen zu wollen, das Thema intern zu halten. Schließlich ist sexueller Missbrauch ein schwerer Straftatbestand, der mit aller Konsequenz verfolgt werden muss. Der Verein sollte zudem sehr offensiv und präventiv mit dem Thema umgehen, indem er Kindern und Eltern Verhaltensweisen für den Fall der Fälle an die Hand gibt und ihnen signalisiert, jedem Anfangsverdacht nachzugehen und jedes Fehlverhalten anzuzeigen.

Wir empfehlen, Adresse und Telefonnummer von professionellen Ansprechpartnern bekannt zu machen, denen sich Kinder oder Eltern offenbaren können. Diese sind häufig bei Landratsämtern oder kommunalen Beratungsstellen angesiedelt. Zudem kann man diese Profis als Experten für vereinsinterne Informationsveranstaltungen gewinnen.