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Sprossenwand - Magazin im DTB

Turn-Team Deutschland

Road to Paris

11.01.2024 17:18

Auf welchen Wegen das Turn-Team Deutschland dem großen Ziel in diesem Jahr entgegenstrebt

Die Olympischen Spiele finden 2024 in der französischen Hauptstadt statt | Bildquelle: picture alliance
Die Olympischen Spiele finden 2024 in der französischen Hauptstadt statt | Bildquelle: picture alliance

Das Jahr ist noch jung. Doch das Turn-Team Deutschland arbeitet in den vier olympischen Sportarten schon wieder hart für sein gemeinsames Ziel: die Olympischen Spiele vom 26. Juli bis 11. August in Paris. 

Weltmeister Dauser und die starken Männer

Die deutschen Männer um Barren-Weltmeister Lukas Dauser haben sich bei den Weltmeisterschaften im Herbst in Antwerpen als Team für die olympischen Wettkämpfe in Paris qualifiziert. Bei einem ersten Aufbaulehrgang zum Jahresauftakt in Kienbaum konnte DTB-Cheftrainer Valeri Belenki 20 Athleten in Kienbaum begrüßen. An gleicher Stelle wird es Mitte Februar einen ersten internen Test geben, um diejenigen Sportler auszuwählen, die bei den Weltcups in Cottbus (22. bis 25. Februar), Baku (7. bis 10. März) und beim DTB-Pokal in Stuttgart (15. bis 17. März) an die Geräte gehen sollen. 

Nach einer weiteren Überprüfung am 11. April wird die Mannschaft für die Europameisterschaften vom 24. bis 28. April in Rimini festgelegt. "Wir wollen in Italien mit unseren Besten starten", sagt Belenki. "Wir haben als WM-Sechster gute Finalchancen mit dem Team, und die EM ist noch einmal ein sehr attraktiver Wettkampf vor Paris." Es könne zwar gut sein, dass beispielsweise Dauser nicht an allen Geräten antritt, um ihn für den Sommer zu schonen. "Wir wollen aber, dass ihn die Kampfrichter auf dieser wichtigen Zwischenstation auf dem Weg zu den Spielen sehen und dass man weiter über seine Barrenübung spricht", erklärt Belenki. Eventuell könnte der Vortrag des Unterhachingers durch ein zusätzliches Element noch aufgestockt werden, um die Medaillenchancen des nationalen "Sportler des Jahres", der 2021 in Tokio schon Olympiasilber holte, in Frankreich zu erhöhen. "Aber wir müssen sehen, ob er das stabil hinbekommt", sagt der Bundestrainer. 

Bei zwei Qualifikationen können sich die Turner für die Spiele empfehlen: Die erste stellen die deutschen Meisterschaften während der DTB-Finals am 8./9. Juni in Frankfurt dar, die zweite wird zwei Wochen später an noch nicht feststehendem Ort ausgetragen. Vor Beginn des finalen Lehrgangs vom 8. bis 18. Juli wartet am letzten Juni-Wochenende noch ein Länderkampf in Frankreich, an dem sich als dritte Nation die Briten beteiligen sollen. "Aber ich weiß noch nicht, ob wir da mit unserer stärksten Mannschaft antreten", sagt Belenki. Der Kandidatenkreis für die internationalen Herausforderungen hat sich erweitert, "aber die Jungen müssen sich erst mal bei den Qualifikationswettkämpfen zeigen", betont der Coach. Routinier Andreas Toba sei nach seinem Kreuzbandanriss, den der Hannoveraner kurz vor der WM in Belgien erlitt, noch nicht wieder hundertprozentig fit; Belenki geht jedoch davon aus, dass der 33-Jährige sich bis zur EM auch wieder am Sprung, jedoch noch nicht am Boden zeigen kann. "Er will unbedingt noch einmal bei den Spielen dabei sein." Die Zielstellung für Paris ist eine Platzierung der Mannschaft unter den ersten Acht. "Eine Medaille wird schwer, weil wir Schwächen an einigen Geräten wie Sprung und Ringe haben", sagt Belenki. Im Einzel sieht er nicht nur bei Dauser Finalchancen: "Allein schon eine Qualifikation wäre aber eine starke Leistung."

Bei den Turnerinnen ist noch ein Platz frei

Die deutschen Turnerinnen hatten bei der WM in Antwerpen als Team die Olympiaqualifikation verpasst. Die frühere Schwebebalken-Weltmeisterin Pauline Schäfer-Betz und die Kölnerin Sarah Voss konnten sich jedoch als Einzelstarterinnen jeweils ein Ticket sichern. Zudem ist noch ein Quotenplatz offen, der intern ausgeturnt werden soll. Dafür zählen die gleichen Qualifikationen wie bei den Männern: die deutschen Meisterschaften in Frankfurt und ein weiterer öffentlicher Wettkampf zwei Wochen später. "Es wird sehr interessant sein, wer sich den Platz sichert", sagt Cheftrainer Gerben Wiersma. Ausschlaggebend soll dabei sein, wer die größten Erfolgschancen aufweist, genauer: Wer einem möglichen Medaillengewinn am nächsten kommt oder, falls keine Turnerin entsprechende Voraussetzungen vorweist, die besten Perspektiven für eine Finalteilnahme besitzt. "Man muss dafür keinen Mehrkampf zeigen", betont der Niederländer. So könnte beispielsweise die Stuttgarterin Elisabeth Seitz, die sich im vergangenen Jahr einen Riss der Achillessehne zuzog, nur am Stufenbarren antreten und so mit entsprechender Leistung die Fahrkarte zugesprochen bekommen. Als Maß gelten die Ergebnisse der vergangenen WM. "Die Turnerinnen und die Trainer kennen das Prozedere bereits", sagt Wiersma. Der Deutsche Olympische Sportbund, der das letzte Wort bei den Olympianominierungen hat, muss aber zustimmen.

Die deutsche Rekordmeisterin Seitz, die an ihrem Paradegerät zuletzt EM-Bronze gewann, befinde sich nach ihrer schweren Verletzung auf gutem Weg und übt schon wieder an den Holmen. "Vielleicht kann sie ihre D-Note noch ein bisschen aufstocken, dann wäre sie noch näher an einer Medaille dran", sagt Wiersma. "Aber ich bin schon jetzt zu 95 Prozent überzeugt, dass sie am Barren fit sein wird." In den bisherigen Kandidatinnenkreis für die internationalen Ereignisse sind mehrere Turnerinnen des Jahrgangs 2008 vorgestoßen, darunter die Zweite der Jugend-Weltmeisterschaften, Helen Kevric aus Stuttgart. Das erweitert die aktuelle Auswahl auf 14 Sportlerinnen, die laut Wiersma aber nicht unter sich bleiben müssen. Nach einem ersten Test im Februar sollen die Turnerinnen feststehen, die Deutschland beim Heim-Weltcup in Cottbus und beim DTB-Pokal in Stuttgart vertreten. Darüber hinaus stehen der Challenge Cup vom 29.  bis 31. März in Antalya und die City of Jesolo Trophy vom 16. bis 20. April auf dem Plan des Bundestrainers. Letztere ist für Turnerinnen vorgesehen, die sich zuvor nicht für die Europameisterschaften vom 2. bis 5. Mai in Rimini empfehlen konnten. Als Qualifikationen für die kontinentalen Titelkämpfe gelten ein Test am 6. April in Frankfurt und der Bundesliga-Wettkampf eine Woche später in Mannheim. "Pauline und Sarah haben den Vorteil, dass sie mit Blick auf Paris keinen Quali-Druck mehr haben", sagt Wiersma. "Sie haben so mehr Flexibilität, und das ist großartig für sie." Beide wollen in den ersten drei Monaten des Jahres an ihren Programmen feilen. "Ich gehe davon aus, dass sie auch die Olympia-Qualifikationen für sich nutzen und beim Länderkampf in Frankreich dabei sein werden", der wie bei den Männern als letzter offizieller Wettkampf vor der Abreise zu den Spielen vorgesehen ist, sagt Wiersma. 

Mehr Konkurrenz für Gymnastik-Weltmeisterin Varfolomeev 

Die deutschen Sportgymnastinnen haben im Einzel zwei Quotenplätze für die Spiele in Frankreich sicher und sind auch mit der Gruppe für das Großereignis qualifiziert. Neben Darja Varfolomeev, die bei den Weltmeisterschaften 2023 in Valencia sämtliche Einzel-Titel abräumte, und der Potsdamerin Margarita Kolosov befinden sich noch mehrere andere Solistinnen im sogenannten "Team Paris" und verschärfen den Konkurrenzkampf. So erlebt die 15-jährige Lada Pusch 2024 ihr erstes Seniorinnenjahr und hat als WM-Zweite mit dem Ball bei den Juniorinnen schon großes Potenzial bewiesen. Anastasia Simakova ist ab Anfang März für den DTB startberechtigt. Die 19-Jährige, die einen deutschen Pass besitzt, trainiere schon länger in Schmiden, sagt Teamchefin Isabell Sawade. 

"Wir werden erst mal mit allen am ersten März-Wochenende beim Gymnastik international in Schmiden starten", sagt Sawade. "Das ist immer eine gute Standortbestimmung." Allein die Leverkusenerin Anna Shenenko wird gleichzeitig beim Grand Prix im estnischen Tartu auf die Fläche treten. Nach dem ersten Weltcup vom 22. bis 24. März in Athen gebe es dann fast jedes Wochenende einen größeren Wettkampf für die Top-Gymnastinnen. Eine Qualifikation für die EM vom 22. bis 26. Mai in Budapest ist am 6. April in Schmiden vorgesehen. Mit bis zu vier Einzel-Gymnastinnen könnte der DTB in Ungarn antreten. "Wir wollen auf jeden Fall mehr als zwei mitnehmen", sagt Sawade. "Aber die EM ist für uns nicht von so großer Bedeutung in diesem Jahr." Varfolomeev etwa werde nicht mit allen Geräten starten. Die deutschen Meisterschaften, die im Rahmen der DTB-Finals auch für die Gymnastinnen Anfang Juni in Frankfurt ausgetragen werden, stellen die erste Olympiaqualifikation dar, die Zweite ist für den 29. Juni in Schmiden geplant. "Danach wissen wir mehr", sagt Sawade, die trotz der großen Favoritenrolle, die Varfolomeev einnimmt, einen spannenden Kampf um die beiden Startplätze erwartet. 

Die Gruppe, die bei der WM in der Besetzung  Anja Kosan, Daniella Kromm, Alina Oganesyan, Hannah Vester, und Emilia Wickert auftrat, startet ebenfalls mit einem erweiterten Kandidatinnenkreis in die Vorbereitung. Als "gute Verstärkung" sieht Sawade dabei die bisherige Einzel-Gymnastin Melanie Dargel an. Nach der EM soll die Stammformation für den Sommer stehen. "Wir wollen mit gesundem Ehrgeiz unsere bisherigen Leistungen bestätigen", sagt Sawade. "Über eine Olympiamedaille will ich nicht sprechen. Wir wollen erst mal alle gesund nach Paris bringen und sehen, dass die Gymnastinnen dort ihr Maximum abrufen." Das werde schwer genug, auch angesichts der vielen Eindrücke, die vor Ort auf die Teilnehmerinnen warten. "Die müssen erst mal verarbeitet werden." Anders als im Gerätturnen gibt es bei den Einzel-Gymnastinnen nur im Mehrkampf Edelmetall zu gewinnen. "Natürlich kann eine Medaille herauskommen", sagt Sawade, "aber auch die anderen arbeiten sehr hart dafür."

Auf dem Trampolin ist der Flug nach Paris noch nicht gebucht

Im Trampolinturnen hat der DTB noch kein Olympiaticket sicher.  Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen könnte über die Weltcup-Serie noch jeweils ein persönlicher Startplatz herausspringen. Zwei Wettkämpfe sind dafür noch übrig: der Weltcup vom 23. bis 25. Februar in Baku und der Heim-Weltcup vom 22. bis 24. März in Cottbus. Die Europameisterschaften vom 3. bis 7. April im portugiesischen Guimaraes haben keinen Einfluss mehr auf das Starterfeld bei den Spielen. 

Da nur die jeweils beiden besten Weltcup-Ergebnisse für das entscheidende Ranking zählen, kann laut DTB-Cheftrainerin Katarina Prokesova "noch alles passieren".  Nach aktuellem Stand wäre der deutsche Meister Fabian Vogel als Zwölfter der bereinigten Liste für die Spiele qualifiziert. "Aber ich hoffe, dass er sich noch ein paar Punkte mehr sichern kann", sagt Prokesova. Doch auch die anderen im Weltcup-Team können sich angesichts der Ausgangslage noch Hoffnungen auf den Sprung zu den Spielen machen. Die komplette Truppe, der neben Vogel der Dietzenbacher Matthias Schuldt, der Stuttgarter Matthias Pfleiderer, der Cottbuser Caio Lauxtermann und bei den Frauen die Stuttgarterin Leonie Adam und Aileen Rösler aus Bad Kreuznach angehören, wird bei beiden noch ausstehenden Weltcups aufs Tuch gehen. "Ich bin optimistisch, dass wir uns beide Plätze noch holen", sagt Prokesova. Um entscheidend zu punkten, müsse man mindestens unter die Top 15 turnen. Insgesamt stehen den Trampolinspezialisten je 16 Plätze bei Männern und Frauen zur Verfügung, von denen je fünf bereits über die WM vergeben sind. Für zusätzliche Konkurrenz könnten Sportler aus Russland und Weißrussland sorgen, die ab diesem Jahr wieder bei Wettkämpfen des internationalen Turnverbandes FIG zugelassen sind. 

Aktuell bereitet sich der Trampolinkader bei einem Lehrgang in Hannover auf die schon bald anstehenden Herausforderungen vor. Erfreulich sei, dass die Olympiazehnte von Rio, Leonie Adam, die sich lange mit Schienbeinproblemen plagte, wieder "besser trainieren kann", wie Prokesova sagt. Was den finalen Weltcup in der Lausitz betrifft, "hoffe ich auf zusätzliche Motivation", so die Expertin. "Die Sportler haben noch nie so einen großen internationalen Wettkampf zu Hause erlebt. Man wird sehen, wer sich dadurch pushen lässt und für wen das eine zusätzliche Belastung ist."  Ein Vorteil sei dabei, dass man als Gastgeber die Geräte früher kennenlernen könne, auf denen schließlich die schwerwiegende Entscheidung um die Olympiastartplätze fällt. Wer sich diese packende Entscheidung nicht engehen lassen will, kann sich jetzt noch Tickets für den Heim-Weltcup im Trampolinturnen sichern.

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