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DTB News

Jahn-Symposium in Stuttgart

28.10.2019 11:26

Zu einem großen Erfolg wurde die Tagung, die der Deutsche Turner-Bund (DTB) zusammen mit der Jahn-Gesellschaft Mitte Oktober in Stuttgart durchführte.

Vizepräsidentin für Gesellschaftspolitik, Annette Hofmann | Bildquelle: Stuttgart2019
Vizepräsidentin für Gesellschaftspolitik, Annette Hofmann | Bildquelle: Stuttgart2019

Jede Zeit umreißt ihr Bild von Jahn

 

Rund 40 Interessierte waren dabei. Die Leitung lag in den Händen von Prof. Dr. Annette Hofmann (Vizepräsidentin des DTB) und Dr. Josef Ulfkotte (Präsident der Jahn-Gesellschaft). Auch Dr. Alfons Hölzl, der Präsident des DTB, gab den Versammelten die Ehre: Er verknüpfte die Diskussion über das „richtige“ Jahn-Bild mit den gleichzeitig in der benachbarten Martin-Schleyer-Halle stattfindenden Turn-Weltmeisterschaften.

In den elf Vorträgen und den Diskussion ging es darum, Orientierung zu schaffen angesichts der Tatsache, dass der „Turnvater“ immer wieder Anlass zur Auseinandersetzung gibt und dass jede Zeit ihr Bild von Jahn umriss und umreißt. Immerhin bekennt sich der DTB in § 1 seiner Satzung klar zu Jahn („pflegt das von Friedrich Ludwig Jahn begründete deutsche Turnen“). Und immerhin ist die Jahn-Gesellschaft nach § 2 ihrer Satzung auf ein hoch gestecktes Ziel ausgerichtet: „das Leben und Wirken des Gründers der Turnbewegung in Deutschland, Friedrich Ludwig Jahns, und seines Umfeldes zu erforschen, seine Bedeutung in Geschichte und Gegenwart zu interpretieren, sein Erbe zu bewahren und zu verbreiten.“

Die Impulse, die von der Hasenheide ausgingen

Deutlich wurde, dass man sich ohne Bedenken zu Jahn bekennen kann, weil vom Turnen in der Hasenheide Impulse ausgingen, die bis heute wirken. Und was Jahns politisches Wirken betrifft, so könne man nicht einfach aus heutiger Sicht ein Urteil fällen, sondern man müsse immer den historischen Kontext einbeziehen. Drei Beispiele aus den Vorträgen: Prof. Dr. Michael Krüger (Münster) warf in seinem Beitrag über „Die Bedeutung von Turnen und Sport in der Erinnerungskultur in Deutschland“ die Frage auf, mit welchem Leben wir heute Begriffe wie Vaterland, Muttersprache, Heimat, volkstümlich füllen. Als unumstritten sieht er die mit Jahns Wirken eng verknüpften Farben Schwarz-Rot-Gold: Sie müssten als  richtungweisend gelten, weil sie die „Wahrzeichen“ von Freiheit und Demokratie sind.

Und Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke (Hamburg), der Jahn als „Gründer der modernen Vereinssportbewegung“ porträtierte: Es sei als eine Erfolgsgeschichte einzustufen, was 1811 auf der Hasenheide begann, etwas Ganzheitliches, eine soziale Bewegung, geprägt durch eine organisatorische Offenheit, die von der intensiven internen Kooperation bis zur Mobilisierung der Öffentlichkeit reichte.

Gefühle und Emotionen, Gemeinschaft und Identität

Einen Aspekt, den wir normalerweise beim Blick auf die frühe Turnbewegung nicht für wichtig halten, eröffnete die Emotionsforscherin Angela Luise Heinemann (Essen): Welche Rolle spielten Gesang und Gefühl in dem „Gemeinschaftskonzept“ Jahns? Klare Aussage: Das Geschehen auf der Hasenheide ließ in Zeiten ungewisser Zukunft ein Wir-Gefühl entstehen, das für die jungen Menschen, die sich da versammelten, völlig neue Erlebnisse ermöglichte. Singen (Lieder als „Ausdruck einer neuen Identität“), Wandern, Fest und Feier ließen eine „turnerische Gesinnung“ wachsen, die auch heute noch erfreulich vielfältig im Vereinsalltag zu beobachten ist.

Welchen Jahn wollen wir? Dieser Leitgedanke prägte die Diskussion. Es wurde deutlich, dass wir noch lange nicht zu einem Ende kommen in der permanenten Auseinandersetzung mit dem „Turnvater“; der ja eher ein „Turnbruder“ war: In seiner wirkungsmächtigsten Zeit war er ganz jung, 1811 war er 33 Jahre alt.

Hansgeorg Kling