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Sprossenwand - Magazin im DTB

Gradmesser für das Turnjahr

09.03.2010 10:58

Am kommenden Wochenende treffen sich internationale Top-Turner beim Weltcup in Cottbus bereits zum 34. Mal. Das Traditionsturnier beweist jedes Jahr aufs Neue, dass es etwas Besonderes ist.

Mit dem diesjährigen Turnier der Meister geht der Weltcup in Cottbus in seine mittlerweile 34. Auflage. Eine bemerkenswerte Zahl eines Traditionsturniers, das sich von so vielen anderen Veranstaltungen im internationalen Kalender wohltuend unterscheidet und jedes Jahr aufs Neue beweist, dass es etwas Besonderes ist.

Das sehen nicht nur die Zuschauer so, sondern auch die Aktiven. Die Cottbuser Organisatoren haben es über Jahre hinweg geschafft, ein besonderes, familiäres Flair zu erschaffen. Ohne bürokratischen Hürden, mit engen direkten Kontakten und pragmatischen Lösungswegen. Andauernde Diskussionen um Turniermodus, Status, Austragungsort und Hallengröße konnten dem Turnier - auch durch großen persönlichen Einsatz auf sportpolitischer Ebene – bisher nichts anhaben. Viele Turnfans und vor allem Athleten hoffen, dass dies so bleibt und quittieren ihre Sympathie für eines der ältesten Turnturniere der Welt durch ihre Treue.

So ist es auch in diesem Jahr: Das Turnjahr in Deutschland beginnt üblicherweise mit dem Weltcup in der Lausitzarena. Wer international mitmischen will und wissen möchte, welche Wege und Trends die internationale Konkurrenz am Gerät einschlagen wird, der kommt um Cottbus nicht herum. 2008 zeigte die spätere Olympiasiegerin He Kexin aus China bereits hier ihre grandiose Olympiakür am Stufenbarren, mit der sie später in ihrer Heimat Gold holte und US-Superstar Nastia Liukin auf den zweiten Platz verwies. Der Blick auf die Meldeliste zeigt, dass auch in diesem Jahr viel Spektakuläres und Neues in der Lausitzarena geboten werden wird.

Nehmen wir zum Beispiel Epke Zonderland: Der Niederländer ist aktueller Vizeweltmeister am Reck und fällt nicht nur durch seine unkonventionelle Haarpracht, sondern vor allem durch seinen verrückten Stil an der 28 Millimeter dünnen Stange auf. Kaum ein Turner im Weltzirkus wagt so spektakuläre Flugelemente, immer auf des Messers Schneide, wie der 23-Jährge aus Heerenveen. Teamkollege Jeffrey Wammes, als Vorjahressieger am Sprungtisch, turnte ebenfalls schon zahlreiche internationale Finals und überzeugt dagegen durch seinen extrem sauberen und eleganten Stil.

Elegant ist auch ein Attribut, welches voll und ganz auf Marta Pihan-Kulesza zutrifft. Die Polin siegte 2009 am Schwebebalken und bereichert auch 2010 nicht nur optisch das Turnier der Meister. Ein anderer Turner ist auch ohne große Siegchancen eine Bereicherung für jedes Starterfeld. Espen Jansen tourt schon seit Jahren unter dem Synonym „ältester Teilnehmer“ bei den großen Turn-Events um die Welt. Mit 41 Jahren hält der vierfache Familienvater die inoffizielle „Weltrekordmarke“ von 13 WM-Teilnahmen. Ein Ende scheint für den Norweger trotzdem noch nicht in Sicht. „Solange es mir Spaß macht...“, lautet seine Devise.

Dies sind nur einige Gegner der deutschen Starterinnen und Starter, für die es laut DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam darum geht, „nach den veränderten und aufgestockten Übungen zu zeigen, wo man im europäischen Vergleich einzuordnen ist“. Matthias Fahrig, Marcel Nguyen, Philipp Boy, Robert Juckel,  Thomas Taranu, Oksana Chusovitina, Marie-Sophie Hindermann und Maike Roll müssen also kurz vor den Europameisterschaften Ende April in Birmingham zeigen, was ihnen steckt.

Keine leichte Aufgabe für die Mitglieder des Turn-Team Deutschland, startet doch jeder mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Saison. Matthias Fahrig hat ein phantastisches Turnjahr hinter sich. Das „Sprungwunder“ aus Halle erkämpfte sich 2009 bei der EM zwei Medaillen und stand als einziger Deutscher Athlet im Herbst bei der WM in London in den Gerätfinals. 2010 wird er sich daran messen lassen müssen, neben Fabian Hambüchen der zweite deutsche Turner in der Weltspitze zu sein. Eine Bürde, mit der der charismatische Publikumsliebling sicherlich umzugehen weiß. Auch wenn „Matze“ zuletzt mit einer Fußverletzung samt OP zu kämpfen hatte.

Deutlich mehr Verletzungspech hatte Oksana Chusovitina: Die 34-jährige Turnlegende verbrachte nach Bizeps- und Achillessehnenriss im vergangenen Jahr fast mehr Zeit in der Rehabilitation als in der Turnhalle. In Cottbus will die Silbermedaillengewinnerin von Peking und neunfache Cottbuser Titelträgerin alte Stärke zeigen. Ziel der Kölnerin ist es, die deutsche Frauenriege bei der EM in Großbritannien anzuführen. Marie-Sophie Hindermann musste ebenfalls lange gegen eine Verletzung der Achillessehne ankämpfen. Die Tübingerin ist mit ihrer Größe und Ausstrahlung eine Augenweide an jedem Gerät. 2007 bei der WM in Stuttgart belegte sie am Stufenbarren den fünften Rang. Ob die Schwäbin schon wieder an ihre alte Form anknüpfen kann, wird sich in Cottbus zeigen. Zusammen mit ihren jungen Teamkolleginnen Maike Roll und Elisabeth Seitz (nach dem Auftritt beim American Cup geschont) bilden sie „das Rückrad unseres Teams für die großen Veranstaltungen in diesem Jahr“, so Cheftrainerin Ulla Koch.

Mit den Lokalmatadoren Philipp Boy und Robert Juckel vom SC Cottbus wird auch in diesem Jahr wieder ordentlich Stimmung in der Lausitzarena einkehren - so viel ist sicher. Es spricht für die Qualität und Erfahrung des 28-jährigen Juckel, dass Chefcoach Andreas Hirsch erneut auf ihn setzt. Philipp Boy wird nach überstandenem Grundwehrdienst alles daran setzen, bis zur EM die richtige Wettkampfform zu erlangen. Beim Turnier der Meister wird der Vergleich mit Spezialisten wie Zonderland zeigen, wie der Status quo  - nicht nur von Boy - ist.
Es wird spannend!