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Sprossenwand - Magazin im DTB

Flüchtlinge im Sport

04.04.2016 09:09

Gerade der Sport bietet viele Möglichkeiten, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Neue Kontakte werden geknüpft, Vorurteile werden abgebaut und es entsteht ein interkultureller Austausch. Durch das "Miteinander Sport-Treiben" kann Vertrauen entstehen und ein "Wir-Gefühl" aufgebaut werden.

Aktuell erleben wir in Europa, ­insbesondere in Deutschland die größte Flüchtlingsbewegung ­unserer jüngeren Geschichte. Die Aufnahme der ­großen Zahl an Not leidenden und traumatisierten Menschen stellt eine große gesellschaftliche Herausforderung dar.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat auf seiner 12. Mitgliederversammlung am 5. Dezember 2015 in Hannover eine Erklärung über "Flüchtlinge in Sportdeutschland" einstimmig verabschiedet. Darin bekennen sich die Mitgliedsorganisationen zu ihrer integrationspolitischen Mitverantwortung in der derzeitigen Flüchtlingssituation.

In der DOSB-Erklärung ist aber auch davon die Rede, dass »die Belegung von Sporthallen mit Geflüchteten als letzte Notlösung zu verstehen und deren Zweckentfremdung auf ein unvermeidbares Minimum zu beschränken« ist – nicht zuletzt auch mit Blick auf den Schulsport, der neben dem Vereinssport auf überdachte Sportstätten angewiesen ist.

Sport braucht Räume

Aktuell besteht die Aufgabe, die größten Notsituationen bei der Unterbring­ung zu klären, damit den Vereinen die Zeiten in Turn- und Sporthallen wieder zur Verfügung stehen. Durch die Massenunterbringung in den Turn- und Sporthallen haben die Menschen keinerlei Privatsphäre, wodurch die Integration in den Alltag verhindert wird.

Durch die wieder frei werdenden Hallen können sich die Turn- und Sportvereine der Eingewöhnung/Integration zuwenden und integrative Sportangebote anbieten. Es sollte insgesamt berücksichtigt werden, dass Sportangebote für Flüchtlinge in Turn- und Sportvereinen kein Allheilmittel für gesellschaftliche Probleme sind, allerdings bietet der Sport einen unkomplizierten Zugang zu Menschen aller Nationen und ­fördert den interkulturellen Austausch, von dem alle profitieren.

Viele Turn- und Sportvereine haben sich bereits spontan und unbürokratisch an der "Willkommenskultur" bei der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligt, indem sie sich durch Sammlung von Kleider-, Sach- und Geldspenden kümmern, sportliche Angebote bieten und durch die Belegung von Turn- und Sporthallen auf die Benutzung der Hallen verzichten.

Möglichkeiten für Turn- und Sportvereine

Der Beitrag zum Thema "Flüchtlinge im Sport" soll aufzeigen, welche Möglichkeiten der Unterstützung und Hilfestellung für Turn- und Sportvereine in Bezug auf Angebote für Flüchtlinge infrage kommen und welche Aspekte aus rechtlicher und gesetzlicher Sicht beachtet werden müssen.

Im ersten Schritt ist es notwendig, sich über die aktuelle Flüchtlingssituation vor Ort zu informieren und herauszufinden, aus welchen ¬Nationen die Flüchtlinge kommen. Für die Auswahl eines passenden Sportangebotes sollten Alter und Geschlecht erfragt werden und Sportgewohnheiten, die in den Herkunftsländern ausgeübt werden, Berücksichtigung finden. Danach können mögliche Sportmaßnahmen, vielleicht auch unter Abstimmung mit anderen Hilfsorganisationen, umgesetzt werden.

Ideen zur Umsetzung

Sport- und Turnvereine können auf unterschiedliche Weise, mit verschiedenen Angeboten zur Integration der Flüchtlinge beitragen:

•Niedrigschwellige Bewegungsangebote in Flüchtlingsunterkünften anbieten

•Neue Sportangebote im Verein anbieten: Parkour oder Tanzen findet bei vielen Anklang. 

•Bei Veranstaltungen oder Wettkämpfen können Flüchtlinge als Zuschauer eingeladen werden 

•Sportnachmittage veranstalten: der TV Büch-Arsbeck veranstaltete einen »Open Day«, an dem alle Interessierten teilnehmen konnten

•Sport-Patenschaften anbieten: Der Altonaer Turnverband organisierte in Koopertaion mit der Flüchtlingshilfe der Evangelischen Luthergemeinde Hamburg Bahrenfeld eine Sport-Patenschaft für Flüchtlinge für 10 Euro im Monat (www.atvsports.de)

•Bei einer Benefiz-Veranstaltung oder Fastnachtskampagne können z.B. Sach- und Geldspenden gesammelt werden, die an Hilfsorganisationen weitergegeben werden

•Beim Umgang mit Behörden kann Unterstützung in Form von Begleitung angeboten werden

•Angebot eines Turnvereins in Kooperation mit einer Kommune: Der Badische und Schwäbische Turnerbund haben das Projekt »Sportvereine verbinden in Friedrichshafen« gestartet

•Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug anbieten: Interessierte können sich bei der Deutschen Turnerjugend melden

LSB unterstützen Vereine

Da sich die Bedingungen in den Bundesländern und den Kommunen unterscheiden, gibt es keine einheitlichen Lösungsvorschläge. Informationen zu Unterstützungsangeboten erhalten Sie von den jeweiligen Landessportbünden (LSB), da es sich auch um verwaltungstechnische und länderspezifische Aspekte des Sports handelt.

Einige LSB bieten entsprechende Informationen und Beratung auf einer Website an: z.B.www.sport-fluechtlinge-hessen.de (LSB Hessen).

Versicherungsschutz

Immer mehr Landessportbünde übernehmen die Unfall- und Haftpflichtversicherung für Flüchtlinge und Asylbewerber. Allerdings hat jeder LSB eine eigene Vereinbarung mit den Versicherungspartnern abgeschlossen. Deshalb sollte sich jeder Turn- und Sportverein vorher bei dem zuständigen LSB informieren.

Landesprogramm "Sport und Flüchtlinge"

Des Weiteren bieten die LSB finanzielle Förderung aus Landesmitteln. Die Hessische Landesregierung stellt beispielsweise zwei Millionen Euro zum Jahresbeginn 2016 für das neue Förderprogramm »Sport und Flüchtlinge« zur Verfügung. Insgesamt gibt es auch weitere Fördermöglichkeiten verschiedener Organisationen.

Fördermöglichkeiten

Integration durch Sport

Viele Turn- und Sportvereine haben auf diesem Feld bereits in den vergangenen Jahren im Bundesprogramm »Integration durch Sport« (IdS), dass mit Bundesmitteln über den DOSB und die Landessportbünde abgewickelt wird, wertvolle Erfahrungen gesammelt (Website DOSB/Integration durch Sport).

Projekt »Willkommen im Sport«

Ein weiteres Projekt des DOSB »Willkommen im Sport« für Flüchtlinge ist im Dezember 2015 gestartet. Die Bundesregierung fördert das Projekt anteilig mit 400.000 Euro. Weitere Finanzgeber sind das IOC mit 50.000 Euro, Sondermittel des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie Eigen- und Drittmittel der beteiligten Verbände. Das bis Ende 2016 laufende Projekt wird gemeinsam mit 13 Landessportbünden umgesetzt und soll Turn- und Sportvereinen bei der Entwicklung von niederschwelligen Bewegungsangeboten und deren Finanzierung unterstützen und Hilfestellungen geben.

dsj-Projekt "Orientierung durch Sport"

Zum 1. Januar ist das Projekt mit der Laufzeit von einem Jahr gestartet. Das Projekt förder Vereine, die bedarfsgerechte Bewegungs- und Sportangebote für junge, vor allem unbegleitete Flüchtlinge umsetzen wollen. Vereine konnten sich bis September des letzten Jahres bewerben. Es steht noch aus, ob es in den nächsten Monaten eine zweite Bewerbungsrunde für Fördermittel geben wird. Auf Initiative des Vereins SG Pegasus und der rheinischen Turnerjugend ist ein Kooperationsprojekt im Korfball entstanden, welches Fördermittel für ein Sportprogramm mit Flüchtlingen erhält.

Förderung "Kultur macht stark"

In Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die Deutsche Sportjugend (dsj) das Projekt »Kultur macht STARK« aufgelegt. Ziel des Projektes ist, dass jedes Kind und jeder Jugendliche die bestmöglichen Bildungschancen erhalten soll – unabhängig von der sozialen Herkunft. Sportvereine und -verbände, aber auch Organisationen über den Kreis der Mitgliedsorganisationen hinaus, können bei der Deutschen Sportjugend Anträge für Bildungsbündnisse einreichen.

Mitglieder gewinnen

Besonders im Kinder- und Jugendbereich kann Integration durch Angebote wie Kinderturnen, Move4FreeX Trendsportdays oder Tuju-Reporter Einsätze gelingen.Trendsportarten wie Parkour, Slackline, Tricking oder Hip Hop, ausgeübt im Freien oder in der Halle, finden ihren Wiedereinzug in die Turn- und Sportvereine als Treffpunkt junger Menschen. Darüber hinaus ist dann auch eine langfristige Bindung der Familie an den Verein möglich, da Eltern durch den Kontakt über ihre Kinder auch selbst Angebote für sich entdecken und im Verein aktiv werden. Zudem hat das Projekt "Tuju-Reporter" der DTJ das Ziel, junge Menschen aus bildungsfernen Schichten sowie mit Migrationshintergrund für Medienarbeit zu gewinnen.

Autorin: Sabine Hoffmann