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Der Demenz davonlaufen

14.06.2022 14:53

DTB stellt Ergebnisse seines Projektes zum Thema Umgang mit Betroffenen in den Sportvereinen vor

Moderation: Roland Frischkorn, Gäste der Gesprächsrunde (von links): Dr. Valentina Tesky, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dieter Schönwies, TSG Fechenheim 1860 e.V., Helmut Reith, Hessischer Turnverband e.V., Ulrich Amrhein, Leben mit Demenz
Moderation: Roland Frischkorn, Gäste der Gesprächsrunde (von links): Dr. Valentina Tesky, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dieter Schönwies, TSG Fechenheim 1860 e.V., Helmut Reith, Hessischer Turnverband e.V., Ulrich Amrhein, Leben mit Demenz e.V. | Bildquelle: DTB

Mehr als eineinhalb Millionen Menschen in Deutschland leben mit Demenz. Sport im Verein kann bei ihnen in vielerlei Hinsicht Gutes bewirken. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hatte deshalb vor zwei Jahren unter dem Titel "Sport bewegt Menschen mit Demenz" ein Projekt ausgeschrieben, in dem es darum geht, die Lebensqualität von Menschen mit Demenz zu erhöhen und ihnen mit Sport, Bewegung und Gemeinschaft zu ermöglichen.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat dieses eineinhalb Jahre lang gefördert.  

Der Deutsche Turner-Bund (DTB) als einer von vier Partnern stellte nun im Frankfurter Gesundheitsamt die Ergebnisse seiner Arbeit vor. Statt neue Vorhaben zu initiieren, was während der Pandemie sehr schwierig gewesen wäre, knüpften die Verantwortlichen mit ihrem Teilprojekt "Informieren und sensibilisieren – Strategien zum Umgang mit Demenz in Sportgruppen mit älteren Menschen" an das bereits bestehende Frankfurter Netzwerk "Aktiv-bis-100" an. In diesem werden seit 2010 Hochaltrigen, Männern und Frauen über 80 Jahre, unter fachkundiger Leitung Bewegungsangebote unterbreitet.

"Wir wollten dort anfangen, wo schon Menschen sind", erklärte Pia Pauly, Abteilungsleiterin GYMWELT beim DTB. "Dort haben wir auch sehr viele erfahrene Übungsleiter." Die meisten davon sind früher oder später mit Anzeichen von Demenz bei ihren Gruppenmitgliedern konfrontiert. Die erste Herausforderung stellt dann oft schon dar, wie sie die Betroffenen ansprechen sollen.

Projektleiter Dieter Schönwies und Marisa Sann, die die Initiative vonseiten des DTB federführend begleitete, kooperierten mit 13 Vertretern aus zehn Vereinen und dem Turngau Frankfurt. Der Fokus wurde dabei auf drei Ziele gerichtet: die Übungsleiterinnen und Übungsleiter über das Thema zu informieren und sie dafür zu sensibilisieren, die Dropout-Quote Betroffener in den Gruppen zu senken und einen Leitfaden für den Umgang mit Demenz im Sportverein zu entwickeln. Die daraus entstandene Broschüre "Ich glaube ein Mitglied meiner Sportgruppe hat Demenz… was nun?" ist sowohl online als auch in handlicher Form auf Papier zu erhalten. Darüber hinaus wurden die beteiligten Übungsleiter*innen fachlich geschult.

Die Diplom-Psychologin Dr. Valentina Tesky von der Frankfurter Goethe-Universität hatte in einem Impulsvortrag deutlich gemacht, wie wichtig Bewegung für an Demenz erkrankte Menschen ist. Sie hemme nicht nur den Fortschritt der Krankheit; Sport wirkt mit Blick darauf sogar präventiv. "Zweieinhalb Stunden pro Woche bei moderater Intensität reichen aus, um das Risiko, an Demenz zu erkranken, um 32 Prozent zu senken", zitierte Tesky eine Studie. Man könne quasi "der Demenz davonlaufen".

Bereits erkrankte Menschen ziehen sich oft aus dem sozialen Leben zurück. Das allein könne für das Umfeld bereits ein Signal für eine beginnende Demenz sein. Vereinssport wirke nicht nur gegen die Isolation und hole die Betroffenen in die Gesellschaft zurück, sondern helfe auch, Unsicherheiten zu bekämpfen, die oft den Grund dafür darstellen, warum sie sich erst mal absondern.

Bei einer Diskussion im Anschluss, bei der Ulrich Amrhein vom Verein "Leben mit Demenz" und Helmut Reith vom Hessischen Turnverband die Runde ergänzten, kristallisierten sich weitere wichtige Punkte heraus, die Moderator Roland Frischkorn vom Sportkreis Frankfurt zusammenfasste. Dazu zählten, dass es höherer finanzieller Mittel bedarf, um die von Demenz Betroffenen in den Vereinen noch besser betreuen zu können. Dass Übungsleiter großflächig dafür geschult und fortgebildet werden sollen. Dass der Bedarf durch das Älterwerden der Gesellschaft steigen wird. Und noch einmal, ganz wichtig, dass jeder durch regelmäßige Bewegung etwas gegen die Krankheit tun kann.

Mit Ablauf des Monats Juni endet das DTB-Projekt. Die Arbeit in der Modellregion Frankfurt wird laut Marisa Sann nun in die Hände des Hessischen Turnverbandes übergeben, der sie weiter vorantreiben will. Ein runder Tisch mit Partnern und Vertretern des Sozial- und Gesundheitsamtes ist angedacht.

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